Sonntag, 27. Oktober 2013

CD-Review: The Trousers - Freakbeat


Info
Bandname: The Trousers
Albumname: Freakbeat
Musikrichtung: 60s/70s Rock
Erscheinungsjahr: 2013
Label: EMI Music Pbl.
Herkunft: Ungarn
Facebook: www.facebook.com/thetrousers

Ich habe eine Quizfrage für euch: Ungarn und Rockmusik. Wem fällt da spontan eine bekannte Band ein? Die Kinder der 1960er und 70er erinnern sich vielleicht an Omega, Metal-Fans kommt vielleicht der Name Ektomorf in den Sinn. Aber sonst? Ich hätte da noch einen Namen für euch: THE TROUSERS! Freakbeat, das dritte Album der Band, erschien im April dieses Jahres und gibt’s heute bei uns im Review.

Was macht Freakbeat also aus? Schon an der Produktion merkt man, dass es sich bei der Platte eindeutig um Musik handelt, die sich an die 60er und 70er Jahre des letzten Jahrhunderts anlehnt. Ein Klang der typisch war für die späten Beatles und Bands, die ihnen gern nachahmten. Leichter Hall auf dem Gesang, so dass das Ganze ein klein wenig psychedelisch wirkt, dreckig verzerrte Gitarren, die nicht mehr Kuschelrock, aber eben auch noch nicht Hard Rock sein können, ein prägnanter Bass und ein präsentes Schlagzeug. Für die Fans des modernen Klangs nichts lohnenswertes, für Nostalgiker dafür umso besser geeignet und sicher unglaublich großartig auf Vinyl.

Kommen wir zu den Songs: Freakbeat beginnt mit dem Song „I Get Around“, der uns klassisch rockig in die frühe 70er Rockmusik wirft. Coole Riffs, netter Groove und druckvoller Gesang, die Leads fliegen einem um die Ohren – also alles was einen guten Rocksong der Zeit ausgemacht hat. Wer hier nicht mitnickt, hat entweder kein Musikgefühl oder ist ein chronischer Opportunist und hat vergessen wie das Nicken geht. Der Pluspunkt für letztere ist: Man kann auch im Takt den Kopfschütteln. Bei „Sister Sludge“ kracht es im Intro erstmal richtig. Hier kommen mir die 90er-METALLICA in den Sinn, die dann für den Rest des Songs (vielleicht bis auf den Solo-Teil) von den Stones abgelöst werden. Was für ein Song und ein absolut genialer Start des Albums!

Die Platte geht genauso weiter wie sie angefangen hat. „Fear of the City“ ist ein unglaublich grooviger Rock-Titel, bei dem man sich am liebsten auf seine Harley setzen würde um über die Route 66 entlangzurattern. Die klassischen Rocker haben bis hierher sicher einigen Spaß. Und wer vorher nicht viel von klassischer Rockmusik gehalten hat, den wird es bei dem Albumbeginn definitiv mitziehen. Mit „Freakbeat“ folgt der Titelsong und eine kleine Hommage an „Born to Be Wild“ im Intro. Unterschwellig zwar, aber doch deutlich genug um es mitzubekommen. Hier fällt mir zum ersten Mal die dezente Rockorgel auf, die sich bei bisher jedem Song unauffällig in meinen Gehörgang geschmuggelt hat (wie sich allerdings erst bei mehrmaligem Hören herausstellte).

Bisher bewegen wir uns musikalisch in der Zeit zwischen den Endsechzigern und frühen Siebzigern. „Under the Wheel“ allerdings befördert uns in etwas frühere Gefilde. Ich bin mir nicht ganz sicher auf welcher Beatles-Scheibe er sich besser machen würde, aber ich tendiere doch eher zur Help! als zur Revolver. Die frühen Beatles werden bei „Electric Garden“ dann von den späten abgelöst. Der Song, der mir hier besonders in den Sinn kommt, ist einer meiner Lieblingssongs der Fab Four. Und tatsächlich spielt die Orgel, die in dem Song sogar zu Soloehren kommt, kurz das Intro von „Come Together“ an. Sehr gelungener Titel.

„Crackin' Up Alone“ macht den Klang-Eindruck dann wieder etwas poppiger. Nach den ganzen großartigen Rockern ist die Nummer eine kleine Verschnaufpause, allerdings auch nicht so besonders. Ein benötigter Lückenfüller zum Luftholen. Es folgt der mithilfe des Ex-HELLACOPTERS-Sängers Nicke Andersson aufgenommene „Real Deep Groove“ – coole Soli inklusive. Wen verwundert es da noch, dass der Song stark nach HELLACOPTERS klingt, was aber in diesem Fall eine willkommene Abwechslung ist und sich trotzdem ohne Probleme in das Klanggefüge Freakbeats einfügt.

Bei „Not Afraid to Fall“ wird die Strophe einzig vom Bass und Schlagzeug gespielt, was die Nummer recht groovig macht, allerdings bleibt der Song recht langweilig. Schade, die Scheibe scheint gegen Ende etwas abzubauen. Der nächste Song erinnert mich am Anfang stark an „All Day and All of the Night“ von den KINKS. Das ändert sich auch während des gesamten Songs nicht – ist nämlich ein (sehr originalgetreues) Cover des besagten Songs. Abgeschlossen wird Freakbeat mit „Demon Gasoline“, der wieder an die tollen Rocker vom Anfang der Platte anknüpft. Im Grunde fasst der letzte Song die ganze Scheibe gut zusammen. 90er-METALLICA im Intro, klassischer Rock in der Strophe und typischer 70s Rock im Refrain. Abschluss gelungen.

Fazit: Das dritte Album soll ja bekanntlich die Richtung einer Band bestimmen. Nun kenne ich zwar die ersten beiden Alben von THE TROUSERS nicht (Schande über mich), doch wenn Freakbeat das klangdefinierende Album der Ungarn war, dann sehe ich optimistisch in die Zukunft und werde die Jungs definitiv im Auge behalten.

Hörtipps: „I Get Around“ (siehe Video), „Sister Sludge“, „Under the Wheel“, „Electric Garden“





Bewertung: 8,5 von 10 Punkten

Tracklist:
1. I Get Around
2. Sister Sludge
3. Fear of the City
4. Freakbeat
5. Under the Wheel
6. Electric Garden
7. Crackin' Up Alone
8. Real Deep Groove
9. Not Afraid to Fall
10. All Day and All of the Night (Kinks cover)
11. Demon Gasoline

Besetzung:
Vocals, Guitar: Zoltan Kovary
Guitar: Pete Locke
Bass: Adam Ilias
Drums: Zoltan Cs. Szabo
Gastmusiker
Keyboard: Zsolt Derecsekei
Backing Vocals: Rita Csanyi

Samstag, 26. Oktober 2013

Classic Review : Strawbs - Dragonfly


Info
Bandname: Strawbs
Albumname:  Dragonfly
Musikrichtung:  Folk Rock
Erscheinungsjahr:  1970
Label: A&M
Herkunft: England
Website: http://www.strawbsweb.co.uk/

Es entpricht zwar nicht unbedingt dem Rock Genre, aber Folk hat ja zumindest im entfernten Sinn etwas mit Rock zu tun. Heute serviere ich Dragonfly von der englischen Folkband Strawbs aus dem Jahre 1970.

Das Album beginnt mit „The Weary Song“ - eine weinerliche Stimme säuselt einem geschmeidig um die Ohren; Glockenspiele, Maultrommeln, Streicher und seichte Percussion schleichen sich in das Gehör. Das ist zwar ganz klar Geschmacksache, aber man muss die kompositorische Leistung würdigen. Mich beschleicht beim Hören das Gefühl, dass die Jungs um Dave Cousin in meinem Wohnzimmer stehen - das liegt wahrscheinlich an der erdigen Produktion. Der Sound hat was von einem offenen Zelt, ohne billig zu klingen. Meines Erachtens schon jetzt sehr authentisch und wohltuend. Dem lehnt sich auch schon der Titeltrack „Dragonfly“ an und versprüht einen Charme, welcher jede Dorfkneipe zu einem farbigen Tempel sinneserweiternder Rauschzustände verwandeln könnte. Zum gedankenverlorenen Klang gesellt sich recht melancholisch ein Titel mit dem rebellischen Namen „I Turned My Face into the Wind“. Sicherlich einer der stärksten Titel auf dem Album und durchaus symbiotisch klassisch arrangiert mit stürmischen Phrasen wie „the solitude weighed heavy on my mind, as I turned my face into the wind“ sagen mir sehr zu! Eine weitere schwerelose Melodie mit schöner Gesangsrhythmik schiebt sich etwas unauffällig zwischen die Titel – „Josephine (for better or for worse)“

Streicher leiten den nächsten Titel ein, der gut und gerne auch von Popeye dem Seemann gesungen werden könnte. Schunkelmelodie; ohne kitschig zu klingen – aber „Another day“ beinhaltet für mich Leichtigkeit und den Drang nach Freiheit, wie es sich für einen etwaigen Song gehört. Diese Abwechslung macht das Album auch für mich interessant. Aber was wäre ein Album ohne weichgespültem Männerduett, welches gehaltvoll wie ein „Love Me Do“ von den Beatles oder wie ein klebrig süßer Wein daherkommt – die Nullnummer auf diesem Album„`til the Sun Comes Shining Through“ hat leider den Charakter eines vertrocknetem Bovists…

„Young Again“ kommt da gleich wesentlich frischer daher; das ist sicherlich den Percussions zuzuschreiben. Der mehrstimmige Gesang macht hier auch mehr Sinn und wirkt viel ausgereifter. Unter Berücksichtigung des bisher Gehörten, hebt er allerdings nicht sonderlich ab. Die Flöte „jinglet“ dahin und versprüht einen fröhlichen Charakter. Dieser Song erinnert auch etwas an Produktionen der Beatles, etwa um dieselbe Zeit.

„The Vision of the Lady in the Lake“ ist einer der Songs, welche mich von der Gesangsrhythmik her nerven – dabei ist diese doch gut gemeint und gut umgesetzt; ich kann mich nur nicht so recht damit anfreunden, obwohl der Song an sich gut durchstrukturiert ist und eine klassische Folknummer darstellt. Die Entwicklung dieser musikalischen Darbietung kann man im Vergleich zu den restlichen Songs schon schwer progressiv bezeichnen – die Gitarren werden nach der Halbzeit härter und verzerrt, der Gesang wird etwas impulsiver und das Schlagzeug virtuoser. Knappe elf Minuten im Wechselbad der Gefühle geht auch dieser Erguss vorbei und es folgt „Close Your Eyes“ – die Kampfansage an die Monster unterm Bett. Ein Schlaflied, welches vermutlich nicht den Weg auf eine Kinderliedersammlung geschafft hat, aber gut, da waren eben noch 45 Sekunden Zeit, um die Platte abzuschließen.

Die Re-release Version aus dem Jahre 2008 kommt mit vier zusätzlichen Bonustracks, welche den Wert der Platte definitiv nochmals steigern. Kann ich also wärmstens empfehlen und die 5€ kann man ruhig ausgeben ohne arm und enttäuscht zu werden.

Fazit: Es macht auf jeden Fall Sinn die Scheibe differenziert zu betrachten. Typische Höhen und Tiefen während des Hörens sind auch nichts Unnormales, doch es wird schon früh klar, dass hier speziell mit Stimmungen gearbeitet wird, welche nicht „lari-fari“ als Mischung undefinierter Pubertätsgefühlsschwankung abgestempelt werden können – nein – es handelt sich im Nachhinein doch um ein gezielt gefühlsechtes Werk mit blumiger Sprache, erdiger Produktion und guter Auswahl traditioneller Instrumente. Das Songwriting holpert zwar an der einen oder anderen Stelle, die Arrangements stellen sich aber als durchaus hörbare Gesamtkunstwerke heraus. Zum Philosophieren lädt die Scheibe auch ein, somit ist das nebenbei Hören in einer Gruppe zu Empfehlen – die Bewusstseinserweiterung kommt von ganz allein.

Danke fürs Lesen,

Euer Ron

Hörtipps: „The Weary Song“, „I Turned My Face into the Wind“, „Another Day“

Bewertung: 7 von 10 Punkten

Tracklist:
01. Weary Song
02. Dragonfly
03. I Turned My Face Into the Wind
04. Josephine, For Better or Worse
05. Another Day
06. ‘til the Sun Comes Shining Through
07. Young Again
08. The Vision of the Lady in the Lake
09. Close Your Eyes
Bonustracks:
10. We´ll  Meet Again Sometime (Studioversion)
11. Forever
12. Another Day (live BBC)
13. We´ll Meet Again Sometime (live BBC)

Besetzung:
Vocals, Guitars, Piano, Dulcimer, Chinese Piano, Percussion: Dave Cousins
Vocals, Acoustic & Electric Guitars, Tambourine, Percussion:Tony Hooper 
Double Bass: Ron Chesterman
 Cello: Claire Deniz
Gastmusiker
Recorder: Tony Visconti 
Drums: Bjarne Restvold
Piano: Rick Wakeman 
Lead Guitar: Paul Brett

Donnerstag, 24. Oktober 2013

CD-Review: AC Angry - Black Denim


Info
Bandname: AC Angry
Albumname: Black Denim
Musikrichtung: Hard Rock
Erscheinungsjahr: 2013
Label: Dust on the Tracks Records
Herkunft: Deutschland
Facebook: http://www.facebook.com/acangry

Der klassische, dreckige Rock'n'Roll scheint momentan echt so etwas wie ein kleines Revival zu feiern. Mit COLD ACID hatten wir dieses Jahr ja schon eine ziemlich gute, junge Rock'n'Roll-Band im Programm. AC ANGRY setzen jetzt noch einen drauf. Einigen ist die Band vielleicht als Support von DAD bekannt und für diejenigen, bei denen es nicht so ist, haben wir uns das Debütalbum Black Denim angehört. Erscheinen wird die Scheibe am 8.11.2013.

Generell ist der erste Eindruck schon mal vielversprechend. Klangtechnisch überzeugt mich die Platte mit einem präsenten Schlagzeug und leichtem Hall auf der Snare, fetten Gitarren, die jeden wissen lassen in welche Richtung es sich entwickelt und einem typischen klassischen Rocksänger, wie man ihn bei so einer Band eben erwartet.

Los geht die Scheibe mit dem Song „Booze Horse“. Der Titel ergibt in meinen Augen zwar nicht allzu viel Sinn, musikalisch allerdings haben wir ein solides Rockriff mit viel Drive und einem kleinen Interlude in der Mitte. Kein schlechter Opener. „Rock'n'Roller Roller Rolla!“ schlägt textlich (man sieht's am Titel) und musikalisch in die selbe Kerbe. Allerdings bekommt man hier noch von der Rhythmusgitarre abgespaltene Leads und eine dezente Klavierbegleitung.

„It's Good to Be Bad“ sorgt dann das erste Mal für etwas Abwechslung. Die Nummer wirkt fast balladesk, definitiv düsterer als die ersten beiden und kann mit einer netten Steigerung in Richtung Bottleneck-Solo aufwarten. Definitiv eine gelungene Nummer und ein Hörtipp. „You Got the Thirst – I Got the Booze“ ist dann wieder ein Titel der Opener-Sorte. Erneut kann man sich an Klavierklängen (und diesmal sogar einem Wechsel zwischen Gitarren- und Mundharmonika-Solo) erfreuen, jedoch fange ich wirklich an, die Texte zu hinterfragen. Klar, es handelt sich um Hard Rock, aber in jedem Song über's Saufen und Frauen-Aufreißen zu singen ist mir dann doch etwas zu simpel.

Es folgt der Titelsong und die Frage: Warum? Die Strophe des Tracks ist monoton, der Refrain ähnlich wie Trivium's „In Waves“ nicht gerade mitreißend und was mir besonders missfällt – der Break kurz vor dem Outro. Warum lässt man den Song nicht einfach ausklingen und verzichtet auf den Break? Schade, hier wäre weit mehr drin gewesen. Der Lichtblick nach der leider enttäuschenden Nummer ist „Like A Riot“. Der Song kann mich mit seinem coolen Drive und den etwas besseren Texten tatsächlich überzeugen. Auch wenn man bei (fast) jedem Song auf Black Denim mitnicken kann, ist der Halswirbel hier doch etwas aktiver.

„Motor“ hingegen ist wieder einer der typischen Songs der Platte. Wenn man auf Heavy Rock steht, ist der Song tatsächlich ein Reißer, aber mir fehlt dann doch die Abwechslung. Auch mit „Hellrock Anthem“ bekomme ich diese leider nicht. Der Text ist hier der wahrscheinlich beste des Albums und wirkt mit seiner kleinen Sozialkritik („Take all your money and shove it up your ass/ You got no guts, you got no class“) sogar recht punkig, allerdings steckt mir hier zu viel Pathos im Refrain, was sich gegen Ende leider noch etwas verstärkt.

„Rocker“ reiht sich anständig in die Liste der zuvor aufgeführten Songs ein und hat für mich den stärksten DAD-Touch auf dem Album. Mit „AC Angry“ ändert sich das noch einmal. Die wahrscheinliche Bandhymne ist in meinen Augen eine musikalische Hommage an – Motörhead! Eine große Überraschung, die ich auf jeden Fall auf dem nächsten Album vermehrt haben möchte!

Fazit: Black Denim wird definitiv seine Fans finden. Fans des klassischen Hard Rock im Stile von DAD und anderen vergleichbaren Bands kommen hier vollkommen auf ihre Kosten und werden nicht enttäuscht werden. Für mich ist das Album jedoch einen Tick zu eintönig und textlich mehr als verbesserungswürdig. Alles in allem ist die Scheibe jedoch solide.

Hörtipps: „It's Good to Be Bad“, „Like a  Riot“, „Hellrock Anthem“, „AC Angry“ (siehe Video)




Bewertung: 6 von 10 Punkten

Tracklist
1. Booze Horse
2. Rock'n'Roller Roller Rolla!
3. It's Good to Be Bad
4. You Got the Thirst – I Got the Booze
5. Black Denim
6. Lika a Riot
7. Motor
8. Hellrock Anthem
9. Rocker
10. AC Angry

Besetzung:
Vocals, Guitar: Alan Costa
Lead Guitar: Stefan Kuhn
Bass: Dennis Kirsch
Drums: Sascha Waack

Freitag, 4. Oktober 2013

CD-Review: Max Raptor - Mother's Ruin


Info
Bandname: Max Raptor
Albumname: Mother's Ruin
Musikrichtung: Punk-Rock
Erscheinungsjahr: 2013
Label: Naim Edge Records
Herkunft: England
Facebook: http://www.facebook.com/maxraptor

MAX RAPTOR verfolge ich ja nun schon seit ihrer Portraits-EP aus dem Jahr 2011, als diese von BBC's Radiomoderator Zane Lowe zum „Hottest Record“ gekürt wurde – von daher war ich doch sehr gespannt auf das erste Album der vier Engländer. Seit Mother's Ruin dann endlich am Montag erschien, läuft die Platte bei mir quasi schon die ganzen Tage hoch und runter. Und wer meine Reviews kennt, weiß, dass das an sich absolut kein schlechtes Zeichen ist.

Produziert wurde der Erstling von Dan Weller, dem auch KIDS IN GLASS HOUSES ihren neuen Sound zu verdanken haben. Die Produzentenwahl hat mir also (durch den Klang von KiGH's Peace berechtigte) kleine Fragezeichen auf die Stirn gekritzelt. Sind diese bei MAX RAPTOR unberechtigt? Nein! Sie sind einfach nur überflüssig.

Gleich mit ihrem ersten Song „Back of a Barrel Wave“ hauen die vier Jungs aus den Midlands mächtig auf den Putz und lassen jeden wissen, dass es sich hier um alles handelt aber definitiv kein Pop(-Punk)-Album. Die Gitarre wurde auf eine Klangtiefe gestimmt, die sogar den Bart von MACHINE HEAD's Rob Flynn erzittern lassen würde. Hier wird Punk-Rock mit einer mächtigen Brise Metal-Klangfarbe gemischt. Gemäßigte Strophe und absolute Härte im Refrain, und fertig ist der Opener. Coole Sache, ohne Zweifel. Noch cooler ist allerdings der folgende Song, bei dessen Titel ein klein wenig Shakespeare mit ganz viel Gesellschaftskritik zusammengewürfelt wurde. Aus dem Shakespeare-Titel „The Taming of the Shrew“ (dt. „Der Widerspenstigen Zähmung“) wurde hier „The Taming of the Shrewd“ (dt. „Der Klugen Zähmung“). Auch musikalisch ist der Track allein durch seinen Ohrwurm-Refrain eine absolut gelungene Nummer und ein echter Hörtipp.

Dieser großartigen Albumeröffnung folgt die erste Single „England Breathes“. Erneut mischt die Band eine Mitnick-Strophe und einen Mitgröhl-Refrain mit klugen Texten (diesmal wird die Einwanderer-feindliche Haltung einiger weniger in England lautstark kritisiert). Der nächste Hörtipp und unten als Video eingeblendet. „Grace and Favours“ geht mit einer Palm-Mute-Strophe ins Rennen und auch wenn der Refrain mich bisher nicht so gepackt hat wie die meisten anderen auf dem Album, gefallen mir die eingebauten Breaks gegen Ende doch sehr.

Bei „Breakers“ wird man gleich zu Beginn mit den Refrain konfrontiert und gnadenlos in den nächsten Hit geworfen. Punkige Strophe, ein Refrain der kein Bein still und keinen Mund geschlossen hält und dazu der erneut richtig starke Text, indem es diesmal um die momentane politische Handhabe der europäischen Finanzkrise zu gehen scheint. „Evangeline“ startet ebenso gleich mit dem Refrain, der genau wie die anderen zum Mitsingen einlädt. MAX RAPTOR wissen, wie man einen Punk-Rock-Refrain schreiben muss. Dazu kommt ein unglaublich cooles Rockriff gegen Ende der Nummer, bei dem man sich einfach nur auf Livekonzerte freuen kann. Wie eigentlich alle vorangegangenen Nummern schon ein absoluter Hörtipp!

Nachdem man sich jetzt sechs Lieder lang ordentlich abreagieren konnte, kommt jetzt die große Überraschung des Albums: eine Ballade! „Heavy Hearts“ hätte ich absolut nicht erwartet, gerade weil man sich ordentlich eingerockt hatte. Der Song ist wahrscheinlich deshalb so eine großartige Abwechslung. Getragen von einer ruhigen Gitarre, einem dezenten Klavier und sehr gefühlvollem Gesang, den ich so von Wil Ray nie für möglich gehalten hätte. Eine richtig tolle Nummer! Gänsehaut pur – und Freunde des Feuerzeug-Schwenkens sollten jene Geräte nun auch zu MAX RAPTOR-Konzerten mitbringen. Gleich danach ist aber auch schon wieder gut mit der Taschentuch-Atmosphäre. „Must Work Harder“ haut einen wieder gewohnt schwungvoll in eine typische Punk-Rock-Stimmung – natürlich wieder getragen von einem unglaublich groovigen Refrain, bei dem selbst unmusikalische Menschen nicht anders können, als bei dem Drive im Takt mitzuklatschen. Die Nummer ist mein kleiner Geheimtipp für eine nächste Single.

Auf diesen Mega-Hit folgt der Namensgeber des Albums. Bei „Mother's Ruin“ gefällt mir besonders die coole Bassline in der Strophe, der Refrain erinnert mich etwas an THE OFFSPRING, wohingegen die Riffs gegen Ende, trotz ihres wahnsinnigen Drucks, ebenso an die frühen LINKIN PARK denken lassen. Nichtsdestotrotz, ein Song der britischen Punk-Rock-Extraklasse und – man ahnt es wahrscheinlich – natürlich ein Hörtipp. Den Abschluss bildet mit „Pioneers“ ein weiterer klassischer Punk-Rock-Song mit groovigen Gitarren und dem typischen Mitsing-Refrain, bei dem jeder, der bis jetzt noch nicht heiser ist, seine Stimme verlieren kann. Zum Glück hab ich mich gegen einen Podcast entschieden...

Fazit: MAX RAPTOR liefern ein Debüt auf absolutem Punk-Rock-Spitzenniveau ab und lassen mich nochmal über meine Entscheidung für das Album des Jahres nachdenken. Die Jungs haben ein unglaubliches Gefühl für Melodien und Mitsing-Passagen und verpacken das Ganze dann in eine für die Richtung typisch gesellschaftskritische/politische Lyrik, sodass man sich einer großen Zukunft für die Band sicher sein kann.

Hörtipps: ALLE! Besonders jedoch „England Breathes“, „Evangeline“, „Heavy Hearts“ und „Must Work Harder“



Bewertung: 10 von 10 Punkten

Tracklist
1. Back of a Barrel Wave
2. The Taming of the Shrewd
3. England Breathes
4. Grace and Favours
5. Breakers
6. Evangeline
7. Heavy Hearts
8. Must Work Harder
9. Mother's Ruin
10. Pioneers

Besetzung
Vocals: Wil Ray
Guitar: Ben Winnington
Bass: Matt Stevenson
Drums: Pete Reisner